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Einzelne Verfahren
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NS-Euthanasie:
Prof. Dr. Werner Heyde

Robert Mulka Bild von Fritz Bauer
Reine Zweckmäßigkeitserwägungen des Staates, wozu auch Individual- und Sozialprävention gehören, können leicht zu einem Missbrauch der Staats- und Strafgewalt führen. (…) Man braucht nur an die zwangsweise Kastration, die Vernichtung sog. lebens(unwerten) Lebens, an die KZs mit ihrer unbestimmten Verwahrung, die uferlose Ausweitung der Todesstrafe, die Vergasungen, überhaupt die generalpräventiv gedachten barbarischen Strafen und Maßnahmen des Unrechtsstaats zu den.
Fritz Bauer

Die NS-Euthanasie soll vor Gericht

Mit dem Begriff ‚EuthanasieWas bedeutet das?‘ (griechisch ‚schöner Tod‘) bezeichnet man heute oftmals die Sterbehilfe. In Deutschland ist der Begriff durch die NS-Zeit negativ geprägt. Während des Nationalsozialismus bezeichnete Euthanasie die systematische Ermordung von Menschen, die auf Grund geistiger oder körperlicher Behinderungen in Pflegeeinrichtungen untergebracht waren. Etwa 125.000 Menschen, darunter 5.000 Kinder, wurden kaltblütig ermordet.

Die Dienststelle von Generalstaatsanwalt Dr. Fritz Bauer entwickelte sich zur bundesweiten Ermittlungsbehörde für die NS-EuthanasieWas bedeutet das?. Mitte 1961 lag die Zahl der möglicherweise an der Aktion-„T4“ Beteiligten bei 347 Personen. Davon waren 168 verstorben beziehungsweise in StrafverfahrenWas bedeutet das? erfasst. Die Ermittlungen richteten sich gegen mehrere hundert Personen. Die bis heute nicht umfassend ausgewertete Ermittlungskartei umfasste 2.000 bis 3.000 Namen.

Historischer Hintergrund

Organisation des Anstaltsmords und Tarnung

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Die Durchführung des Mordprogramms wurde einer eigenen Exekutive übertragen: der „Kanzlei des FührersWas bedeutet das?“. Bei Reichsleiter Philipp BouhlerWas bedeutet das? (1899-1945) gingen alle an Hitler gerichteten Gesuche um „Genehmigung“ zur Tötung der Kranken ein. Hier wurden sie im Hauptamt II unter Leitung von Viktor BrackWas bedeutet das? (1904-1948) und innerhalb dieses Hauptamtes wiederum vom Amt IIb unter Dr. Hans HefelmannWas bedeutet das? bearbeitet.

Beginnend 1938 wurde zunächst die „EuthanasieWas bedeutet das?“ an einem Kind durch Hitlers Leibarzt Dr. Karl BrandtWas bedeutet das? gestattet. Danach wurden Dr. Brandt und Reichsleiter Philipp Bouhler ermächtigt, in analogen Fällen ebenso zu verfahren, was zur systematischen, bis 1945 praktizierten, Ermordung behinderter Kinder führte.

Im Sommer 1939 wurden Bouhler und Brandt ermächtigt, die „Euthanasie“ auf alle Patient*innen in den Heil- und Pflegeanstalten auszudehnen. Der entsprechende „Erlass“ des Führers wurde Ende Oktober auf den Kriegsbeginn 1. September 1939 rückdatiert und nur wenigen Personen zugänglich gemacht. Selbst dem JustizministeriumWas bedeutet das? wurde er erst im August 1940 als Fotokopie übergeben. Als 1941 die Tarnung nicht mehr aufrechtzuhalten war, verfügte Hitler den Stopp.

Die eigentliche NS-Euthanasie-Aktion wurde zwischen 1939 und 1941 in sechs dafür eingerichteten Mordanstalten und von Tarnorganisationen realisiert: Die „Reichsarbeitsgemeinschaft Heil- und Pflegeanstalten“ (RAG) und ein Gutachter-Gremium aus Ärzt*innen unter Leitung des Obergutachters Professor Dr. Werner HeydeWas bedeutet das? regelten die Erfassung und Auslese, die GEKRAT (Gemeinnützige Kranken-Transport GmbH) den Transport und die Anstalten selbst, die von der „Gemeinnützigen Stiftung für Anstaltspflege“ betrieben wurden, die Ermordung der Opfer.

Die gesamte Organisation war ein maßnahmenstaatliches Instrument, kam allerdings an zwei Punkten mit zunächst normenstaatlich agierenden Institutionen in Berührung: mit der Abteilung IV „Gesundheitswesen und Volkspflege“ im ReichsinnenministeriumWas bedeutet das?, die zur Erfassung der Patient*innen notwendig war, und mit dem ReichsjustizministeriumWas bedeutet das?, das an den § 211 Strafgesetzbuch (MordWas bedeutet das?), an die Anzeigepflicht (§ 129 StGB) und an § 152 StGB (Verfolgungszwang durch staatliche Behörden) gebunden war.

Die Mitwirkung des Reichsinnenministeriums bestand in der Verschickung von Patient*innen-Fragebögen an die Anstalten. Die zurückgesandten Formulare wurden in Kopie an die RAG weitergeleitet. Deren ärztliche Gutachter*innen entschieden durch Eintragung eines Plus- (+) oder Minuszeichens (-) über Leben und Tod. Ehemaliger Obergutachter und medizinischer Leiter der NS-EuthanasieWas bedeutet das?-Tarnorganisation „T4“ war der genannte Prof. Dr. Werner HeydeWas bedeutet das?. Der Name „T4“ bezieht sich auf den Sitz der „Euthanasie“-Zentrale in der Berliner Tiergartenstraße 4.

NS-Euthanasie als Vorstufe des Holocaust

Durch die Ausweitung des Mordprogramms auf Häftlinge in den Konzentrationslagern („Sonderbehandlung 14 f 13“) wurde es zur Vorstufe des Holocaust. Die Berliner „EuthanasieWas bedeutet das?“-Zentrale führte den ersten MassenmordWas bedeutet das? an jüdischen Insassen von Heil- und Pflegeanstalten durch. Sie wurden seit 1940 gesondert erfasst und in Sammeltransporten in die Mordzentren gebracht, etwa 4.000, vielleicht sogar 5.000 Patient*innen. Die Tötungstechnologie sowie das Mordpersonal wurden in die besetzten Ostgebiete übernommen. Ab Herbst 1941 bestand ein direkter Zusammenhang mit der „Endlösung der Judenfrage“. Das gilt für das erste VernichtungslagerWas bedeutet das? Chelmno (Kulmhof), wo die Opfer in GaswagenWas bedeutet das? endeten, wie für die Vernichtungslager der „Aktion ReinhardtWas bedeutet das?“, BełżecWas bedeutet das?, Sobibor und Treblinka, bei der alle Juden und Jüdinnen und Rom*nja des „Generalgouvernements“ vernichtet werden sollten.

Die Frankfurter Ermittlungen ergaben auch, dass 1944 in Italien, in San Saba bei Triest, ehemalige Mitglieder des „T4“-Führungspersonals am Werk waren, darunter der Ex-Geschäftsführer der „EuthanasieWas bedeutet das?“-Zentrale, Dietrich AllersWas bedeutet das?. In San Saba wurden Tausende in eine Reismühle verschleppt und gefoltert, die Juden und Jüdinnen deportiert. Fritz Bauer wollte auch dieses Verbrechen aufklären.

Ermittlungen gegen Tausende Beschuldigte

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Das erste ErmittlungsverfahrenWas bedeutet das? gegen Täter*innen der NS-EuthanasieWas bedeutet das? wurde gegen den ehemaligen „T4“-Leiter Prof. Dr. Werner HeydeWas bedeutet das? geführt, der unter dem falschen Namen Sawade untergetaucht war. Außerdem wurde gegen drei Verwaltungsfunktionäre ermittelt: Rechtsanwalt Dr. Gerhard BohneWas bedeutet das?, erster Geschäftsführer der „T4“ und verantwortlich für ihre juristisch-formale Organisationsstruktur, seinen Nachfolger Friedrich TillmannWas bedeutet das? und gegen Dr. Hans HefelmannWas bedeutet das?, Bearbeiter der Gesuche um Genehmigung zur Tötung der Kranken in Amt IIb der „Kanzlei des FührersWas bedeutet das?“.

Unmittelbar nachdem Bauer das Heyde-Verfahren übernommen hatte, übermittelte die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen in Ludwigsburg am 18. Januar 1960 die Vorgänge gegen Dietrich AllersWas bedeutet das? und Hans Joachim BeckerWas bedeutet das?, den Leiter der „Zentralverrechnungsstelle Heil- und Pflegeanstalten“. Und gleichzeitig bat der Berliner Generalstaatsanwalt, das Verfahren gegen den ehemaligen Chef des Amtes IIa der „Kanzlei des Führers“, Werner BlankenburgWas bedeutet das?, sowie gegen zwei „Obergutachter“ der „Kindereuthanasie“, Ernst WentzlerWas bedeutet das? und Hans HeinzeWas bedeutet das?, zu übernehmen. Bauer lehnte wegen Überlastung ab, der Generalbundesanwalt übertrug Untersuchung und Entscheidung aber am 13. Mai 1960 dem Landgericht Frankfurt am Main. Im September 1960 wurde Dr. Bauers Behörde auch das Verfahren gegen Blankenburg und noch ein weiteres übertragen. Im August 1960 übernahm Bauer das Verfahren gegen Rechtsanwalt Dr. Bohne und führte es im Zusammenhang mit dem Fall Heyde weiter.

Bohne sollte wie Heyde wegen Mittäterschaft angeklagt werden, das ganze Verfahren zu einem Grundlagenprozess für Rechtsfragen der NS-EuthanasieWas bedeutet das? werden. Als erstes legte Bauer Beschwerde ein, dass der Haftbefehl nur auf Beihilfe laute. Heyde, dem Obergutachter, sei bewusst gewesen, dass die Tötungen heimtückisch vorgenommen wurden. Das Landgericht gab seiner Beschwerde statt und stellte den eigenen Tatwillen Heydes fest.

Fritz Bauer wollte eine rasche Eröffnung der Hauptverhandlung. Im Januar 1961 beantragte er die Eröffnung der Voruntersuchung gegen Heyde beim Landgericht Limburg, sie erfolgte kurz darauf gegen Heyde und Bohne. Gleiches geschah im März gegen Dr. Hefelmann, anderthalb Monate später kam noch ein Verfahren hinzu.

Angeschuldigt wurde der „T4“-Arzt Dr. Horst SchumannWas bedeutet das? (1906-1983), der ab Januar 1940 die erste Vergasungsanstalt Grafeneck (bei Münsingen), ab Juni 1940 die Vergasungsanstalt Sonnenstein (Pirna) geleitet hatte und an der Aktion „14 f 13“ gegen KZ-Häftlinge beteiligt war. Dr. Schumann, der für die Ermordung von mehr als 15.000 Menschen mitverantwortlich war, wurde überdies mit grausamen Menschenversuchen in Auschwitz-Birkenau in Verbindung gebracht. Der Arzt hatte sich Anfang 1951 mit Frau und Kindern aus Gladbeck nach Ghana abgesetzt, wo er unter dem Schutz von Staatspräsident Kwame Nkrumah (1909-1972) als Krankenhausleiter fungierte.

Die Anklage

Die AnklageschriftWas bedeutet das? vom 22. Mai 1962 gegen Dr. Heyde, Dr. Bohne und Dr. Hefelmann umfasst 833 Seiten. Prof. Heyde wurde beschuldigt, von 1939 bis 1942 als Obergutachter und ab Sommer 1940 als Leiter der Tarnorganisation „T4“ Heilanstaltsinsassen und KZ-Häftlinge heimtückisch und mit Überlegung getötet zu haben, insgesamt mindestens 100.000 Menschen. Dr. Bohne wurden Tötungen an mindestens 15.000 Menschen zur Last gelegt. In der rechtlichen Würdigung stellte die Anklageschrift fest, dass „das Geheim-Schreiben Hitlers vom 1.9.1939“ die Rechtswidrigkeit nicht ausschließen konnte. Hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale des § 211 StGB (Mordmerkmale) wurde festgestellt:

Als Beweggründe standen „reines Nützlichkeitsdenken, rassische und politische Unduldsamkeit und Überheblichkeit so im Vordergrund, dass sonstige Vorstellungen, die zur Durchführung dieser Tötungen führten, daneben kein entscheidendes Gewicht mehr haben können“. Das planmäßige Massentöten müsse als „ein natürliches Ganzes angesehen werden“. Aus dem maßgeblichen Einfluss, den die Angeschuldigten auf den jeweiligen Geschehensablauf genommen hatten, ergab sich für Fritz Bauer, dass sie Mittäter waren. Die AnklageschriftWas bedeutet das? gilt bis heute als Standardwerk über die NS-EuthanasieWas bedeutet das?.

Ein „Werk der Zeitgeschichte“ – Prozessanfang und -ende

Die Hauptverhandlung wurde am 18. Februar 1964 eröffnet. Grund für die Verzögerung war die Taktik der VerteidigerWas bedeutet das?. Am Ende erschien nur noch ein Angeschuldigter, Dr. Hefelmann, vor Gericht. Kaum begonnen, musste das Verfahren gegen den Organisator der „Kindereuthanasie“ wegen „Verhandlungsunfähigkeit“ ausgesetzt werden. Diese endete am 8. Oktober 1972 mit dem EinstellungsbeschlussWas bedeutet das?. Der Angeklagte Dr. Bohne wurde wegen „Gefahr eines Herzinfarkts“ 1968 ebenfalls für verhandlungsunfähig erklärt, das Verfahren eingestellt. Friedrich TillmannWas bedeutet das? stürzte sich sechs Tage vor Prozessbeginn, am 12. Februar 1964, aus einem Fenster eines Kölner Hochhauses zu Tode. Prof. Heyde fand man am Tag danach erhängt am Heizungskörper in seiner Zelle.

Über 80.000 Seiten Prozessakten waren zusammengetragen und über 300 Zeug*innen geladen worden. Zwei StaatsanwälteWas bedeutet das? aus der DDR, Carlos Foth und Gerhard Ender, hatten Akten von Krankenhäusern in der DDR überbracht. Die Bilanz: Zwei Selbstmorde, zwei Einstellungen wegen Verhandlungsunfähigkeit, und der fünfte Beschuldigte unbehelligt in Ghana. Die AnklageschriftWas bedeutet das? sei nur ein Werk der Zeitgeschichte geworden, meinte Fritz Bauer auf einer Pressekonferenz. Offenbar habe eine „stillschweigende Übereinkunft“ bestanden, dass der Prozess nicht stattfinden solle.

„Euthanasie“-Prozesse bis in die 1990er Jahre

2 Min.

Die „EuthanasieWas bedeutet das?“-Prozesse zogen sich weiter hin. So auch im Fall Reinhold VorbergWas bedeutet das?, Ex-Leiter der „Gemeinnützigen Krankentransport GmbH“. Er entwischte im März 1962 nach Spanien, durch Observierung seiner Ehefrau kam man ihm auf die Spur. Fritz Bauer setzte alle Hebel in Bewegung und Vorberg wurde am 11. November 1962 verhaftet, am 5. März 1963 von den spanischen Behörden ausgeliefert.

Der nach Ghana geflüchtete Dr. Schumann traf nach achtmonatiger Auslieferungshaft erst am 16. November 1966 auf dem Frankfurter Flughafen ein. Die Hauptverhandlung kam im Oktober 1966 zustande – allerdings wiederum ohne ihn. Sein Fall wurde mit der Strafsache gegen. Dr. Aquilin UllrichWas bedeutet das? zusammengelegt. Der vormals Stellvertreter des Leiters der Vergasungsanstalt Brandenburg wurde am 22. August 1961 verhaftet. Bis zum Beginn der Hauptverhandlung vergingen nicht weniger als fünf Jahre. Am Ende war dies der erste und einzige Prozess, bei dem Fritz Bauer das Urteil noch erlebte. Der Antrag auf Eröffnung der gerichtlichen Voruntersuchung, den Bauer am 24. Oktober 1961 einreichte, legte den Ärzten Dr. Ullrich, Dr. Victor RatkaWas bedeutet das? und Dr. Curd RunckelWas bedeutet das? zur Last, im Rahmen der „T4“-Aktion „aus niedrigen Beweggründen und mit Überlegung Menschen getötet zu haben“.

Bauer übernahm im Februar 1962 auch noch das Verfahren gegen den Frauenarzt Dr. Heinrich BunkeWas bedeutet das?, der in Celle wieder praktizierte. Die Ermittlungen ergaben, dass Bunke sowie der bei Hildesheim tätige Dr. med. Klaus Endruweit 1940 bis 1941 als Assistenzärzte in den Vergasungsanstalten Brandenburg an der Havel, Bernburg an der Saale und Sonnenstein bei Pirna verwendet worden waren. Sie waren am MassenmordWas bedeutet das? der „T4“-Aktion beteiligt. Bauer erwirkte Haftbefehle: Bunke wurde am 12. April 1962 festgenommen, Endruweit stellte sich am 18. Juni selbst, beide wurden aber gegen Auflagen von der Untersuchungshaft verschont.

Eine Woche nach der Verhaftung von Endruweit berichtete Fritz Bauer dem JustizministeriumWas bedeutet das?, dass das Landgericht Frankfurt auf seine Beschwerde hin Untersuchungshaft gegen den ehemaligen „T4“-Arzt Dr. Kurt BormWas bedeutet das?, wohnhaft in Uetersen (Holstein), angeordnet habe. Der Arzt war Mitglied der Waffen-SSWas bedeutet das?Was bedeutet das? und seit 1940 der „Kanzlei des FührersWas bedeutet das?“ zugewiesen, bis Spätsommer 1941 war er Stellvertreter von Dr. Schumann in der Anstalt Sonnenstein, danach in der Berliner „T4“-Zentrale. Borm wurde am 13. Juni 1962 festgenommen. Er war zu diesem Zeitpunkt beamteter Medizinalrat am Städtischen Krankenhaus. Der MagistratWas bedeutet das? der Stadt leitete ein DienststrafverfahrenWas bedeutet das? wegen Betrugsverdachts ein, doch Borm erwirkte Haftverschonung.

Weitere Monate mussten vergehen, bis Bauer am 19. Februar 1963 die Eröffnung der gerichtlichen Voruntersuchung gegen Bunke und Endruweit beantragen konnte. Die Anklagebehörde warf Dr. Bunke vor, aus niedrigen Beweggründen mindestens 10.000 Menschen getötet zu haben. 1940 und 1941 habe er mit Professor Dr. Werner HeydeWas bedeutet das? und Professor Dr. Paul Nitsche sowie dem Anstaltsleiter Dr. Irmfried Eberl und anderen an den unter den Tarnbezeichnungen „Aktion T4“ und „Sonderbehandlung 14 f 13“ durchgeführten Massentötungen mitgewirkt. Für Endruweit galt derselbe Tatvorwurf des Mordes. Die AnklageschriftWas bedeutet das? vom 15. Januar 1965, die Bauer einreichte, umfasste 310 Seiten.

Zu dem Zeitpunkt zog sich das Verfahren „gegen Dr. Ullrich und Andere“ mehr und mehr in die Länge. Das Verfahren gegen Dr. Ratka erledigte sich, da er am 5. April 1966 verstorben war.

Erster Frankfurter NS-Euthanasie-Prozess

wegen Beihilfe

2 Min.

Am 8. Juni 1966 ließ das Landgericht Frankfurt endlich die Eröffnung des Hauptverfahrens zu. Die Angeschuldigten wurden nicht wegen Mittäterschaft, sondern nur noch wegen Beihilfe zum gemeinschaftlichen MordWas bedeutet das? beschuldigt. Hinsichtlich des Angeschuldigten Dr. Borm wurde die Ergänzung der Voruntersuchung angeordnet, da Verdacht auf weitere Straftaten bestand. Dabei hätte die Kammer nur den zusätzlich gegen Borm erhobenen Vorwurf der Mitwirkung an der so genannten Häftlings-„EuthanasieWas bedeutet das?“ (Aktion „14 f 13“) abzutrennen brauchen. Ab 3. Oktober 1966, dem ersten Tag der Hauptverhandlung, mussten sich daher nur Borms drei Kollegen vor Gericht verantworten. Staatsanwalt Johannes Warlo, der für zahlreiche NS-Euthanasie-Prozesse zuständige Vertreter der Anklagebehörde, gab gleich zu Beginn eine grundsätzliche Erklärung ab. Er stellte klar, dass es sich im Gegensatz zum EröffnungsbeschlussWas bedeutet das? nicht um Gehilfen, sondern um Täter handele.

Die Hauptverhandlung gegen Ullrich, Bunke und Endruweit, die beschuldigt waren, in den Anstalten Bernburg, Sonnenstein und Brandenburg Tausende Patient*innen in den Tod geschickt zu haben, endete am 23. Mai 1967 nach 57 Verhandlungstagen. Über 100 Zeug*innen waren vernommen und zehn Sachverständige gehört worden. Die Angeklagten wurden aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Sie hätten auch nicht schuldhaft gehandelt, sondern „in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum“. Das Urteil attestierte ihnen, dass sie die Ermordung der Kranken für Sterbehilfe halten konnten, da sie unter dem Einfluss der NS-Ideologie gestanden hätten. Die StaatsanwaltschaftWas bedeutet das? hatte gegen Dr. Ullrich acht Jahre, gegen Dr. Bunke sieben und gegen Dr. Endruweit vier Jahre Zuchthaus beantragt.

„Objektiv Mordgehilfen – subjektiv freigesprochen“, hieß es in der Ludwigsburger Kreiszeitung. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete von frenetischem Beifall der Zuhörer*innen. Im August 1970 hob der BundesgerichtshofWas bedeutet das? das Urteil auf und wies es an das SchwurgerichtWas bedeutet das? zurück, doch es kam keine RevisionWas bedeutet das? zustande.

Die Angeklagten machten Verhandlungsunfähigkeit geltend, obwohl alle drei weiterhin praktizierten. Der ehemals Mitangeklagte Dr. Borm wurde am 6. Juni 1972 freigesprochen. Das Gericht billigte auch ihm „unüberwindbaren Verbotsirrtum“ zu. Borm stamme aus einem Beamtenhaushalt, in dem staatstreue Gesinnung und unbedingter Glaube an die Gesetzmäßigkeit geherrscht habe. Mit dem Verweis auf zeitgenössische Staatsrechtler, Reichsjustizminister Dr. Gürtner und Staatssekretär Dr. Schlegelberger, erklärte das Gericht Hitlers „EuthanasieWas bedeutet das?“-Erlass kurzerhand zu gültigem Recht. Doch der BGH lehnte auch die Revision im Fall Dr. Borm am 20. März 1974 ab. Die Folge war ein lauter Protest. In einem „Offenen Brief“ an Bundespräsident Dr. Gustav HeinemannWas bedeutet das? protestierten zahlreiche Künstler*innen, Schriftsteller*innen und Politiker*innen, unter ihnen Joseph BeuysWas bedeutet das?, Heinrich BöllWas bedeutet das?, Marion Gräfin DönhoffWas bedeutet das?, Günter GrassWas bedeutet das?, Marie Luise KaschnitzWas bedeutet das?, Siegfried LenzWas bedeutet das? und Martin WalserWas bedeutet das? gegen Borms Freispruch. Als skandalös wurde vor allem die Argumentation empfunden, dass Dr. Borm zur Tatzeit ein überzeugter Nationalsozialist gewesen sei.

Zweiter Frankfurter NS-Euthanasie-Prozess –
wegen Mittäterschaft

Am 25. April 1967 begann der zweite NS-EuthanasieWas bedeutet das?-Prozess. Er richtete sich gegen die wichtigsten noch lebenden ehemaligen Funktionäre der „Euthanasie“-Aktion. Angeklagt waren diesmal wegen Mittäterschaft an tausendfachem MordWas bedeutet das?: Der Ex-Leiter der GEKRAT, Reinhold VorbergWas bedeutet das?, nach Viktor BrackWas bedeutet das? und Werner BlankenburgWas bedeutet das? der dritte Mann in der „T4“; Rechtsanwalt Dietrich AllersWas bedeutet das?, Geschäftsführer der Stiftung für Anstaltspflege, der sich als einziger noch auf freiem Fuß befand; der Inspekteur der „T4“, Adolf Gustav KaufmannWas bedeutet das?, der die Einrichtung und den Betrieb der Vernichtungsanstalten überwacht hatte und in der Aufbauphase Leiter der Anstalt Hartheim bei Linz war; sowie der bereits mit Dr. Heyde angeklagte Rechtsanwalt Dr. Bohne, der inzwischen von Argentinien ausgeliefert worden war.

Der erste, der aus dem Verfahren wegen Herzinfarkt ausschied, war Kaufmann; Dr. Bohne wegen attestierter „fortgeschrittener Verkalkung“ der zweite. Das Gericht verhandelte bis zum 20. Dezember 1968, wertete die Aussagen von 261 Zeug*innen und fünf Gutachten sowie unzählige Dokumente aus. Am Ende wurde Vorberg zu zehn Jahren, Allers zu acht Jahren Zuchthaus wegen Beihilfe verurteilt; vom Vorwurf der Tötung von KZ-Häftlingen wurden beide freigesprochen. Die Haftstrafen galten als verbüßt. Für die Neue Zürcher Zeitung ein weiterer Beweis der durch den BundesgerichtshofWas bedeutet das? präjudizierten Abgrenzung von Täterschaft und Beihilfe. Am Ende lasse sich nur ein Mann als Täter verurteilen: Adolf Hitler.

Dritter Frankfurter NS-Euthanasie-Prozess –
wegen Mitwirkung an der Aktion „T4“

Im dritten NS-EuthanasieWas bedeutet das?-Prozess mussten sich drei Angeklagte verantworten. Ihnen wurde die Mitwirkung an der Aktion-„T4“ sowie Tötung von KZ-Häftlingen vorgeworfen. Hans-Joachim Becker hatte als Leiter der „Zentralverrechnungsstelle Heil- und Pflegeanstalten“ die Abrechnung mit den Kostenträgern besorgt. Er war, nach Auslagerung einzelner Abteilungen nach Hartheim, Büroleiter dieser Anstalt. Friedrich Robert LorentWas bedeutet das?, Leiter der Wirtschaftsabteilung, war für die gesamte Haus- und Wirtschaftsverwaltung verantwortlich gewesen. „Er vereinnahmte“, fasste Staatsanwalt Warlo zusammen, „das Gold von den Goldzähnen der getöteten Kranken und Häftlinge, Schmuck und andere Wertsachen“. Beide hatten sich dabei bereichert. Dr. Georg RennoWas bedeutet das?, der Dritte, war „Euthanasie“-Arzt in Hartheim, wo 1943/44 Tausende von KZ-Häftlingen aus MauthausenWas bedeutet das? vergast wurden.

Sechs Jahre vergingen, bis am 7. November 1967 Anklage gegen Renno, Becker und Lorent erhoben wurde. Der EröffnungsbeschlussWas bedeutet das? – da lebte Fritz Bauer schon nicht mehr – erging am 20. Dezember 1968, die Hauptverhandlung wurde neun Monate später eröffnet. Doch just als Dr. Renno schwer belastet wurde, musste er sich den Blinddarm entfernen lassen. Das Verfahren wurde fünf Jahre später wegen „Verhandlungsunfähigkeit“ eingestellt. Aber „Renno lebt noch heute“, stellte Staatsanwalt Warlo Mitte der 1980er Jahre lapidar fest. Gegen die beiden anderen erging das Urteil im Mai 1970: Becker wurde wegen Beihilfe zum MordWas bedeutet das?Was bedeutet das? in zwei Fällen zu zehn Jahren, Lorent wegen Beihilfe zu sieben Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Diesmal blieb die RevisionWas bedeutet das? der Angeklagten erfolglos.

Einstellung des Verfahrens gegen Dr. Schumann

In dem jahrelangen Frankfurter Verfahren gegen Dr. Horst SchumannWas bedeutet das? kam es erst am 12. Dezember 1969 zur Anklage. Neun Monate später begann der Prozess und bereits am 14. April 1971 war er ohne Urteil erledigt. Ein Fiasko laut Staatsanwalt Warlo: Die Ärzte bescheinigten Schumann Verhandlungsunfähigkeit, Manipulation konnte nicht nachgewiesen werden. Ende Juli 1972 wurde der Prozess eingestellt. Schumann starb am 5. Mai 1983.

Katastrophale Schlussbilanz

1 Min.

Nur vier Spitzenfunktionäre der „T4“ wurden rechtskräftig zu Freiheitsstrafen verurteilt, und dies auch nur wegen Beihilfe: Vorberg, Allers, Lorent und Becker. Drei Funktionäre und drei „EuthanasieWas bedeutet das?“-Ärzte, Dr. Hefelmann, Dr. Bohne, Kaufmann sowie Dr. Renno, Dr. Endruweit und Dr. Schumann, schieden wegen Verhandlungsunfähigkeit vorzeitig aus den Verfahren aus. Vier Ärzte wurden wegen fehlenden Unrechtsbewusstseins freigesprochen, Dr. Borm sogar rechtskräftig mit Bestätigung durch den BGH. Zu Lebzeiten Fritz Bauers erging nur ein Urteilsspruch gegen die „T4“-Funktionäre und Organisatoren: der Freispruch für Dr. Ullrich, Dr. Bunke und Dr. Endruweit.

Erst 20 Jahre später kam es zu einer gewissen Veränderung, im Revisionsverfahren 1987, als zwei der Ärzte überraschenderweise wieder verhandlungsfähig waren, konnte das Frankfurter Landgericht Dr. Ullrich und Dr. Bunke wegen Beihilfe zum MordWas bedeutet das?Was bedeutet das? – Ullrich in mindestens 4500, Bunke in 11.000 Fällen – zu je vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilen.

Der BGH setzte allerdings anderthalb Jahre später das Strafmaß auf die Mindeststrafe herab: man habe, so die Begründung, den Angeklagten eine zu große Anzahl von Tatbeteiligungen zugerechnet, auch Ermordungen, die in Abwesenheit stattfanden. Bis zuletzt war es bei solcher Rechtsprechung geblieben.

30 Jahre nachdem Fritz Bauer die Strafverfolgung in Gang gebracht hatte, fasste die Ludwigsburger Kreiszeitung zusammenfassen: „Ullrich wurde 1961 für 18 Tage in Untersuchungshaft genommen, Bunke 1962 für sieben Tage.“ 1967 wurden sie freigesprochen, das Gericht „attestierte ihnen einen entschuldbaren Verbotsirrtum“. Der BGH hob diese Entscheidung auf, doch musste der nächste Prozess abgebrochen werden: „Die Ärzte waren erkrankt, so schwer, daß sie trotzdem ihre Patienten weiter behandelten.“ Diese „erfolgreich praktizierte Verhandlungsunfähigkeit“ dauerte von 1972 bis 1985. Dann verurteilte das Landgericht Frankfurt die Mordgehilfen zu je vier Jahren Freiheitsstrafe. „Dies wurde nunmehr vom BundesgerichtshofWas bedeutet das? in letzter Instanz beanstandet.“ Hinzuzufügen bliebe nur noch: Das Verfahren gegen Dr. Endruweit endete im Oktober 1990, das Landgericht Hildesheim am Wohnort von Endruweit erkannte die Verhandlungsunfähigkeit an. Der Angeklagte starb 1994, Dr. Aquilin UllrichWas bedeutet das? 2001.

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Glossar

Literaturhinweise:

Anika Burkhardt, Das NS-Euthanasie-Unrecht vor den Schraken der Justiz: eine strafrechtliche Analyse. Tübingen: Mohr Siebeck, 2015.

Irmtrud Wojak, Fritz Bauer 1903-1968. Eine Biographie. 2. Neuauflage, Eschenlohe: BUXUS EDITION, 2019.

 

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