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Fritz Bauers Büro 1968

Am 1. Juli 1968 wird Fritz Bauer tot aufgefunden. Was bedeutet sein plötzlicher Tod für die weitere Verfolgung von NS-Unrecht? In diesem letzten Raum wollen wir dieser Frage nachgehen und gleichzeitig über das Nachwirken der Arbeit Bauers aufklären. Bauer hinterlässt nicht nur Vorarbeiten zur strafrechtlichen Verfolgung weiterer NS-Täter*innen, sondern auch eine besondere Perspektive auf Menschenrechte und das Grundgesetz: Sie gelten für jeden Menschen und müssen eingehalten werden, kann der Staat dafür nicht garantieren, müssen Menschen ihre Rechte erkämpfen – für sich und für andere. In eben dieser Perspektive spiegelt sich das Handeln vieler Menschen auf der ganzen Welt, die Vorhaben des Fritz Bauer Forums – und vielleicht auch ihr oder dein ganz persönliches Engagement?

1968

Historischer Kontext

Das Jahr 1968 wird von den Vereinten Nationen als Internationales Jahr der Menschenrechte verzeichnet.

Es war ein ereignisreiches Jahr im Blick auf die entstandene Widerstands- und Protestbewegung. Die Student*innenbewegung, besser bekannt als „68er-Bewegung“, prägte das Jahr und ist jetzt auf ihrem Höhepunkt. Mit dem Prager Frühling, den März-Unruhen in Polen, den Mai-Protesten in Frankreich, den Anti-Kriegsprotesten in den USA gegen den Vietnam-Krieg (1955-1975) und im April mit dem Attentat auf Rudi DutschkeWas bedeutet das?, Wortführer der Student*innenbewegung in Westdeutschland, sind nur eine Handvoll der Ereignisse dieses Jahres genannt.

Ein besonders prägnanter und erschreckender Einschnitt für die Bürgerrechtsbewegung in den USA war die Ermordung von Martin Luther King jr. am 4. April 1968. Unter anderem befeuert vom Tod des Bürgerrechtlers und Baptistenpastors trat nur eine Woche später, am 11. April 1968, der Civil Rights Act von 1968Was bedeutet das? gegen die Diskriminierung von BPOCWas bedeutet das? in Kraft.

Ein weiterer Angriff auf die Demokratie war die Ermordung Robert F. Kennedys am 5. Juni 1968 während der Vorwahlen zur Präsidentschaftswahl. Der ehemalige JustizministerWas bedeutet das? und Senator fiel, ähnlich wie sein Bruder John F. Kennedy, einem Attentat zum Opfer. Motiv waren womöglich Kennedys israelfreundliche Äußerungen zum NahostkonfliktWas bedeutet das?.

In der DDR wurde am 6. April 1968 per „Volksentscheid“ über die neue Verfassung abgestimmt, die mit offiziell fast 95%iger Zustimmung drei Tage später in Kraft trat. In der Bundesrepublik traten am 28. Juni 1968 trotz massiven Protests die Notstandsgesetze in Kraft, die die Einschränkung der Grundrechte im Notfall legitimieren. Am 1. Juli 1968 unterschrieben die drei Atommächte USA, Sowjetunion und Großbritannien den AtomwaffensperrvertragWas bedeutet das?, mit dem sie sich verpflichteten, Atomwaffen nicht zu verbreiten und abzurüsten.

Fritz Bauer Portrait Büro 1956
„Die staatliche Organisation eines Völkermordes unterscheidet sich von den Gangs nur dadurch, dass die Justiz und besonders die Verwaltung systematisch eingeschaltet werden können. Der Völkermord entspricht in seiner Organisation dem modernen Arbeitsleben mit seiner strengen Trennung von privatem und beruflichem Tun. Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. (…) Die Versachlichung des Arbeitsprozesses, auch des Arbeitsprozesses des Völkermords, erleichtert Nutznießer- und Mitläufertum. Völkermord ist zunehmend leichter geworden.“ 
Vortrag von Fritz Bauer, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz
Fritz Bauer Portrait Büro 1956
 „Widerstand ist der Aufwand unseres Mitgefühls, das Kämpfen und, wie die Geschichte nur zu oft zeigte, auch ein Fallen für eine humane Welt. Humanismus auf Erden, jener schwere Versuch einer Vereinigung von Freiheit und Gleichheit, fällt uns nicht in den Schoß. Widerstand und Ungehorsam im Kampf um eine humane Welt fordern Schweiß, Tränen und Blut.“ 
Vortrag von Fritz Bauer, „Ungehorsam und Widerstand in Geschichte und Gegenwart“

Die Chronik Fritz Bauers

1968 – Tod in Frankfurt am Main und Nachleben

"Dr. Fritz Bauer wurde am gestrigen Montag tot in seiner Wohung aufgefunden. Weitere Details sind noch nicht bekannt. Fritz Bauer, bekannt geworden durch seine Arbeit am ersten Frankfurter Auschwitzprozess, sorgte, nicht zuletzt durch die Verhaftung Adolf Eichmanns, immer wieder für Aufsehen. Der Generalstaatsanwalt wurde 64 Jahre alt." (Hinweis: Die eingeblendete Zeitung und ihr Inhalt ist keine originale Abbildung, sondern eine freie Nachbildung.)
Robert Mulka Bild von Fritz Bauer
Die staatliche Organisation eines Völkermordes unterscheidet sich von den Gangs nur dadurch, dass die Justiz und besonders die Verwaltung systematisch eingeschaltet werden können. Der Völkermord entspricht in seiner Organisation dem modernen Arbeitsleben mit seiner strengen Trennung von privatem und beruflichem Tun. Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. (…) Die Versachlichung des Arbeitsprozesses, auch des Arbeitsprozesses des Völkermords, erleichtert Nutznießer- und Mitläufertum. Völkermord ist zunehmend leichter geworden.
Vortrag von Fritz Bauer, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Gemeinschaftsvorlesung Wintersemester 1966/67: Rechtliche und politische Aspekte der NS-Verbrecherprozesse. Kolloquium mit Peter Schneider, Peter Noll, Herbert Jäger, Adalbert Rückerl. Hrsg. von Peter Schneider und Hermann J. Meyer. Mainz 1968, S. 16-24, abgedruckt in: Fritz Bauer, Kleine Schriften. 1921-1961. Hrsg. von Lena Foljanty und David Johst. Frankfurt am Main: Campus, 2018, S. 1666-1678, hier S. 1678. 

Fritz Bauer

* 16. Juli 1903 bis † 1. Juli 1968

…UND WAS JETZT?  

Genau das ist die Frage, die uns bewegt und die sich jetzt auch an dich richtet.

Was hat Fritz Bauers „Im Kampf um des Menschen Rechte“ mit uns, mit dir zu tun?

Weil die Rechte, von denen wir reden, auch deine Rechte sind. Du hast sie nicht, weil du in einem bestimmten Land geboren wurdest oder weil deine Eltern einen bestimmten gesellschaftlichen Stand haben. Sondern weil du Mensch bist.

Dennoch versuchen Personen oder Gruppen, sie dir vielleicht abzusprechen. Weil sie antisemitische, rassistische oder andere Vorurteile haben. Weil sie ihre Wut auf irgendetwas an „Anderen“ auslassen wollen.

Kennen wir nicht alle Menschen, die darunter leiden und die um ihre Rechte kämpfen müssen? Menschen, die aufgrund von Hautfarbe, Religion, körperlicher oder mentaler Gesundheit oder aufgrund ihres sozialen Stands ausgegrenzt werden?

Es ist wichtig, sich das bewusst zu machen: Dort wo Diskriminierung stattfindet, wird Einzelnen oder Gruppen ihr Recht auf Menschsein abgesprochen. Daher nochmal unsere Frage:

Was hat der „Kampf um des Menschen Rechte“ mit uns, mit dir zu tun?

Wir denken: Alles! Denn wir wollen uns das Menschsein nicht nehmen lassen, indem wir es andern überlassen. Wenn du aktiv sein willst, überleg dir, wen du ansprechen kannst. Denn es kommt auch auf Dich an! Oder komm gerne vorbei und wir suchen gemeinsam Wege, wen Du ansprechen oder was du tun kannst.

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Glossar

(Bild-)Quellen- und Literaturhinweise
Quellen- und Literaturhinweise

ZITAT 1: Vortrag von Fritz Bauer, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Gemeinschaftsvorlesung Wintersemester 1966/67: Rechtliche und politische Aspekte der NS-Verbrecherprozesse. Kolloquium mit Peter Schneider, Peter Noll, Herbert Jäger, Adalbert Rückerl. Hrsg. von Peter Schneider und Hermann J. Meyer. Mainz 1968, S. 16-24, abgedruckt in: Fritz Bauer, Kleine Schriften. 1921-1961. Hrsg. von Lena Foljanty und David Johst. Frankfurt am Main: Campus, 2018, S. 1666-1678, hier S. 1678.

 

ZITAT 2: Fritz Bauer, „Ungehorsam und Widerstand in Geschichte und Gegenwart“, Vortrag in der Vortragsreihe der Humanistischen Union „Evolution oder Revolution“, Universität München, 21. Juni 1968, URL: https://www.humanistische-union.de/publikationen/vorgaenge/8-9-1968/publikation/ungehorsam-und-widerstand-in-geschichte-und-gegenwart/

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