Warschau und Krakau 1947
05 Genocidium
Warschau und Krakau 1947

Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß und 40 SS-Wächter vor Gericht

Vorgeschichte  

Rudolf Höß war einer von circa 8.500 SSWas bedeutet das?-Wachleuten in Auschwitz und in den Nebenlagern von Auschwitz. Etwa 800 dieser SS-Leute musst sich vor Gericht verantworten, rund 700 in Polen. Während es in Deutschland bis Ende der 1950er Jahre kaum Prozesse gegen SS-Angehörige in Auschwitz gab, waren in Polen bereits Hunderte verurteilt und hingerichtet worden.

Rudolf Höß

SS-Obersturmbannführer Rudolf HößWas bedeutet das? war Hitlers und Himmlers gehorsamster Gefolgsmann, in seiner Dienstwilligkeit, Gewissenhaftigkeit und Gefühllosigkeit der brauchbarste Funktionär zur Vollstreckung der „Endlösung der Judenfrage“.

1901 in Baden-Baden geboren, von einer streng katholischen Familie zur Untertänigkeit gegenüber jedweder Obrigkeit erzogen und eigentlich zur Priesterlaufbahn bestimmt, erkannte bereits der Fünfzehnjährige seine Berufung zum Soldaten. An der Front fand er seine neue „Heimat“, und so war es zwangsläufig, dass Höß nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg in einem FreikorpsWas bedeutet das? weiterkämpfte. 1922 trat Höß in die NSDAPWas bedeutet das? ein. Wegen Beteiligung an einem FememordWas bedeutet das? (1923) wurde er zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt, kam aber durch allgemeine Amnestie bald wieder frei (1928) und ließ sich – berufslos, wie er war – im Jahr nach der sogenannten „Machtergreifung“ ohne weiteres von dem SSWas bedeutet das?-Führer Himmler für eine Karriere im KonzentrationslagerWas bedeutet das?-Wachdienst anwerben.

Zunächst in Dachau, dann im KZ Sachsenhausen eingesetzt und dort zum Adjutanten des Lagerkommandanten befördert, bekam Höß 1940 seine Lebensaufgabe: Er musste das KZ Auschwitz aufbauen und leiten – für ihn, den geborenen NS-Funktionär, die einzigartige Möglichkeit, seine Weltanschauung in die mörderische Praxis umzusetzen. Höß, der seiner Berufung nach nichts anderes kannte als „unbedingten Gehorsam“, „peinlichste Ordnung“ und „gewissenhaften Diensteifer“, wurde das Muster eines Lagerkommandanten (1940 bis 1943 und 1944 noch einmal), der seine Pflicht – die Vernichtung der Jüdinnen und Juden – in furchtbarer technischer Perfektion erfüllte. Er leitete die Organisation des Massenmords in den Gaskammern von Auschwitz inklusive der Ermordung von 430.000 ungarischen Jüdinnen und Juden, die Adolf EichmannWas bedeutet das? 1944 in kürzester Zeit nach Auschwitz deportieren ließ.

Höß wurde nach den Nürnberger Prozessen, wo er als Zeuge der Verteidigung aussagte, gemäß der Moskauer ErklärungWas bedeutet das? vom 30. Oktober 1943 an die Volksrepublik Polen ausgeliefert. Er wurde vom Obersten Nationalen Tribunal, dessen Zuständigkeit sich an das Statut des IMT anlehnte und für die polnischen Prozesse um die Verwaltung des „Generalgouvernements“ Polen ergänzt wurde, am 2. April 1947 zum Tode verurteilt und am 16. April 1947 in Auschwitz gehenkt.

© Gemeinfrei

In seiner Niederschrift im Gefängnis, in der Höß eine minutiöse Beschreibung seiner Amtsführung in Auschwitz lieferte, ist keine Spur von Schuldbewusstsein anzutreffen.

Höß leugnete seine Schuld nicht, berief sich aber stets auf Befehlsnotstand. Wörtlich heißt es darin:  

„Dies ist die technisch mögliche Aufrechnung“  

Höß in seiner Gefängnis-Niederschrift 1946 (Auszug) 

„In Birkenau bestanden 5 Anlagen. 2 große Krematorien mit einer Kapazität von je 2000 Menschen innerhalb 24 Stunden, d. h. im Gasraum konnten bis zu 2500 Menschen getötet werden, innerhalb 24 Stunden in 5 Doppelöfen (mit Koks geheizt) als äußerstes 2000 verbrannt werden. 2 kleinere Anlagen konnten mit je 4 größeren Doppelöfen etwa 1500 Menschen beseitigen. Dazu noch eine Freianlage – d. h. ein altes Bauernhaus war fugendicht als Gasraum hergerichtet und konnte gleichzeitig etwa 1500 Menschen fassen. Die Verbrennung erfolgte in offenen Gruben mit Holz, und diese war eigentlich unbegrenzt, man konnte innerhalb 24 Stunden nach meiner Berechnung bis zu 8000 Menschen auf diese Art verbrennen. – Es war unmöglich, bis zu 10.000 Menschen in 24 Stunden in diesen oben geschilderten Anlagen zu vernichten und zu beseitigen. Meines Wissens ist diese Zahl nur einmal 1944 erreicht worden, als durch Zugverspätungen an einem Tag einmal fünf Transporte zu gleicher Zeit eintrafen. 
– Die Asche der Verbrannten wurde zu Staub zerkleinert und an abgelegenen Stellen in die Weichsel geschüttet und durch die Strömung mitgerissen.  
Ausgehend von der Zahl 2 ½ Mill., die nach Eichmann insgesamt nach Auschwitz transportiert wurden zur Vernichtung, wären demnach – dem Durchschnitt entsprechend – tägl. 2 Transporte mit zus. 4000 Menschen – 25% Arbeitsfähige, – 3000 Menschen zur Vernichtung gekommen. Die Pausen zwischen den einzelnen Aktionen mit 9 Monaten zusammengerechnet, blieben 27 Monate zu 90 000 Menschen = 2 430 000 Menschen.  
Dies ist die techn. mögliche Aufrechnung. Ich muss mich an die Zahl von Eichmann halten, der der einzige SS-Führer war, der Aufzeichnungen über diese Vernichtungsaktionen lt. Befehl des RFSS (Reichsführer-SS Heinrich Himmler, Anm. d. Red.) machen durfte. Alle anderen Dienststellen, die irgendwie beteiligt waren, hatten sofort alle Unterlagen zu vernichten. Eichmann gab mir diese Zahl an, als er im April 1945 zu einem Rapport zum RFSS bestellt war. Ich hatte keinerlei Unterlagen. Nach meinem besten Wissen erscheint mir die Zahl aber viel zu hoch. Wenn ich die Zahlen der großen Massenaktionen, die ich noch im Kopf habe, zusammenrechne und noch % Fehlerquoten dazu nehme, so waren es meiner Berechnung nach höchstens 1 ½ Millionen von Beginn 1941 bis Abschluss 1944. Das sind meine Schätzungen, die ich nicht belegen kann.  
Nrbg. 24. April 1946  

Rudolf Höß“

Rudolf Höß verfasste diese Erklärung, nachdem ihm der Gerichtspsychologe beim Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher, G. M. Gilbert, mitgeteilt hatte, dass Göring Zweifel an der technischen Durchführbarkeit der während des Prozesses erwähnten Massenmorde in den Vernichtungslagern geäußert hatte. Das Original der Erklärung liegt bei den Akten des Jerusalemer Eichmann-Prozesses.

Von Höß angeführte Zahlen der Vernichtungsaktionen: 
Ungarn 400.000
Slowakei 90.000 
Griechenland 65.000 
Holland 90.000
Frankreich   110.000
Belgien 20.000 
Gengouvernement u. Oberschlesien   250.000
Deutschland u./ Theresienstad 100.000
__________
1.125.000

Krakauer Auschwitz-Prozess

Im Krakauer Auschwitz-Prozess vor dem Obersten Polnischen Tribunal gegen 40 Angehörige der SS in Auschwitz, der am 24. November 1947 begann, wurden im Dezember des Jahres 21 Todesurteile gesprochen. Die Hinrichtungen wurden am 24. Januar 1948 in Krakau vollzogen.
Der Prozess wurde von der Krakauer Bezirkskommission zur Erforschung der deutschen Verbrechen vorbereitet. Unter der Leitung von Jan Sehn unterstützte die Kommission ebenso die Ermittlungen gegen Rudolf Höß und später die Frankfurter Staatsanwaltschaft bei den Ermittlungen zum ersten Auschwitz-Prozess.

Unter den Angeklagten war Arthur Liebehenschel, Kommandant im Stammlager des KZ Auschwitz (hingerichtet), sowie mehrere Angeklagte im Frankfurter Auschwitz-Prozess. Zu ihnen gehörte der frühere Auschwitz-Kommandant und Hauptangeklagte Richard BaerWas bedeutet das? (er starb im Juni 1963 vor Beginn des Auschwitz-Prozesses), der Desinfektor und SSWas bedeutet das?-Unterscharführer Arthur Breitwieser (im Auschwitz-Prozess freigesprochen) und der Sanitätsdienstgrad Josef Klehr (im Auschwitz-Prozess zu lebenslangem und weiteren 15 Jahren Zuchthaus verurteilt).

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Glossar

Literaturhinweise:

Manfred Deselaers, „Und Sie hatten nie Gewissensbisse?“Die Biografie von Rudolf Höß, Kommandant von Auschwitz, und die Frage nach seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen. 2. Aufl. Leipzig: Benno, 2001.

M. Gilbert, Nürnberger Tagebuch. Frankfurt am Main: Fischer, 1962 (Original 1947).

Ernst Klee, Auschwitz. Täter, Gehilfen, Opfer und was aus ihnen wurde. Ein Personenlexikon. 1. Auflage. S. Fischer, Frankfurt am Main 2013,   Joanna Lubecka, „Strafgerichtsprozesse deutscher Kriegsverbrecher   in Kleinpolen 1945 bis 1950 mit besonderer  Berücksichtigung der Tätigkeit des Obersten  Nationalen Gerichtshofs“, in: Adam Dziurok, Piotr Madajczyk, Sebastian Rosenbaum (Hg.), Die deutsche Minderheit in Polen und die kommunistischen Behörden 1945–1989, S. 40-52.

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